Der erste Blick verrät: Das neue MPiano von Alpha-Pianos besteht fast nur noch aus Tasten!
Tatsächlich ist das Design beeindruckend. Stammt es von Apple? Nein, von Porsche-Design. Das M von MPiano steht für MECHATRONIK. Was kann es? Lassen Sie uns ins Detail gehen!
Die Stärken des MPianos liegen vor allem in der Spielart. Das ist für ein digitales Instrument natürlich erstaunlich. Der Schlüssel liegt in den neuen Eigenschaften der Mechatronik. Diese ermöglichen nämlich über die Authentizität des Spielgefühls hinaus, dass man die Spielart der Klaviatur dem jeweiligen Klangschema oder auch den eigenen Wünschen anpassen kann! Was heißt das? Laut Hersteller kann man die Spielart einstellen wie bei einem Klavier, Synthesizer oder entsprechend der eigenen Wünsche hinsichtlich Gängigkeit/Gewichtung/Tastentiefgang... Nein, ganz so weit gehen die Einstellungsmöglichkeiten sicherlich nicht. Sie beschränken sich vermutlich auf den Widerstand und somit auf die Gewichtung beim Anschlagen der Taste. Wie kann so etwas gehen, dass die Spielart per App (bereits erhältlich für iOS und Android) und somit per Fernsteuerung veränderbar ist? Wie schon erwähnt, ist das eine Leistung der Mechatronik. Das Element unter der Taste nennt man Aktor (auch Aktuator genannt). Der Aktor ist das Gegenstück zum Sensor. Der Sensor ermittelt einen Ist-Stand. Der Aktor stellt dann je nach Eingabe an der App den Widerstand unter der Taste so ein, dass uns die Klaviatur eines solchen Mechtronik-Pianos das erwünschte Spielgefühl vermittelt. Hier finden Sie die verschiedenen Einstellungmöglichkeiten per App.
Das Mechatronik-Piano von Alpha-Pianos verspricht somit gerade hinsichtlich der Klaviatur im Wesentlichen die gleichen Leistungseigenschaften, die wir von der herkömmlichen Klaviatur im Flügel gewohnt sind - ohne dabei auf die vorher vorgestellte übliche Lösung der Integration einer physikalischen Mechanik in das digitale Hybridpiano zurückzugreifen! Und das MPiano kann einiges mehr:
In jeder einzelnen Tasten sind optische sowie kapazitive Sensoren verbaut. Im Zusammenspiel mit MIDI und MPE ist das jener Mehr-Wert, den wir gesucht haben, denn die Tasten haben wie soeben beschrieben berührungs-sensitive Oberflächen mit mehrfachen Eigenschaften, so genannte Multi-Touch-Keys. Sie erlauben es, die Position und Bewegung der Finger auf den Tasten zu analysieren und zu registrieren.
Nun fällt es Ihnen ein: Alpha-Pianos? Davon haben wir doch gerade etwas gelesen? Richtig. Ich habe Ihnen den Hersteller Alpha-Pianos GmbH als Hersteller Modells Studio, des meiner Ansicht nach besten digitalen Hybridpianos der Kategorie mit nur einer digitalen Klangquelle vorgestellt. Man nennt es wegen dem neu entwickelten Sensor, der die Anschlagsintensität eines echten Filzhammers als Teil einer echten Flügelmechanik auf einem zu Saiten identischen Widerstand misst, Sensor-Piano, Nun folgt also bereits die nächste Sensation aus diesem Haus, das Mechatronik-Piano. Es handelt sich um ein Hybridpiano der gleichen Kategorie, also nur mit einer digitalen Klangquelle, aber ohne eine herkömmliche Mechanik zur Optimierung des Spielgefühls. Stattdessen wird das Spielgefühl mechatronisch angeglichen.
Das Mechtronik-Piano, oder kurz MPiano funktioniert weitgehend drahtlos. Der Klangerzeuger dürfte beliebig wählbar sein. Die DAW (Digital Audio Workstation) muss nur zur Verarbeitung des für das Ausdrucksspiel neuen Datenformats MPE fähig sein. Die Einstellungen werden über eine App auf einem iPad geändert. Das MPiano ist zwar noch nicht zu kaufen. Doch die Preisspanne ist schon bekannt: Sie liegt zwischen 6.000 und 10.000 Euro.
Im folgenden Video sehen Sie, wie der Autor Karasek ganz begeistert das MPiano im Porsche-Design auf der Musikmesse 2016 vorstellt - ohne einen einzigen (wirklich hörbaren) Ton auf dem Instrument zu spielen. Das ist gerade aufgrund des umfangreichen Lobs erstaunlich. Daher liefere ich im übernächsten Video zumindest ein kurzes Soundbeispiel nach.
Tatsächlich habe ich bislang nur diese kurze Sequenz gefunden, auf der das MPiano gespielt wird. Immerhin ist diese Sequenz von dem Youtube-Kanal von Muzykujkropka aufgenommen, über den sehr viele neue Tasteninstrumente vorgestellt werden.
Somit stellt sich die Frage: Wer steht hinter Alpha-Pianos? Wer ist der Entwickler und Erfinder des MPianos? Wo kommt er her? Welche Beziehung hat er zum Klavierbau?
Das hatte ich schon nicht mehr zu hoffen gewagt, dass es unter den Klavierbauern noch einen wachen Geist gibt, der ernsthaft nach zeitgemäßen Lösungen sucht. Mario Aiwasian war vor der Gründung von Alpha-Pianos GmbH bei Bösendorfer. Dort war er unter anderem beteiligt an der Entwicklung des Selbstspielers CEUS. Er bewies Weitsicht, als er 2006 und somit kurz vor dem Verkauf von Bösendorfer an Yamaha den Wiener Klavierbauer verlassen hat, um Alpha-Pianos zu gründen. Dort hat er zuerst das meiner Ansicht nach beste Digitalklavier Studio mit vollständiger Flügelmechanik sowie das Modell Grand entwickelt. Schon 2015 wurde auf der Musikmesse in Frankfurt das MPiano vorgestellt. Betrachtet man die neuen Alpha-Pianos, so würde ich der ganzheitlichen Leistung von den Detaillösungen bis hin zum Design das höchste Lob aussprechen. Interessant ist folgende Parallele zu Leonardo da Vinci: Auch Mario Aiwasian hatte wohl von den Einschränkungen der Klaviatur gehört. Als Klavierbauer fühlte er sich herausgefordert und machte sich auf die Suche nach zeitgemäßen Lösungen, die möglichst nahe an der Wirklichkeit des Pianofortes liegen. Die Zeit der Konzertbetreuung bei Bösendorfer war für ihn eine ausgezeichnete Basis für die Suche nach den besten Lösungen.
Bislang ist also alles gut. Fast alles. Meine Kritik beginnt beim schlechten Bekanntheitsgrad. Wenn man nicht aufmerksamer Besucher der Musikmesse ist, dann gehen die hier präsentierten Neuigkeiten doch glatt an einem vorüber. Zwar gibt es bei Alpha-Pianos einen Zuständigen für Verkauf. Aber ich konnte nirgends eine Möglichkeit finden, um eines der Alpha-Pianos zu kaufen. Auf der Homepage selbst wirbt man mit Stars unter den Musikern. Prince hatte das Modell Grand leider zu spät bestellt. Der Künstler verstarb zu früh. Das Modell Grand konnte für Alpha-Pianos keine Werbewirksamkeit mehr erlangen. Also bewirbt man andere Künstler. Ein scheinbar raffinierter Weg des Marketings:
Man versucht gar nicht erst, den Endkunden zu bewerben, sondern möchte über bekannte Musiker eine Sogwirkung im Markt auszulösen.
Dazu muss ich feststellen: Diese Strategie hat Hohner auch mit Stevie Wonder und dem Clavinet verfolgt. Ohne Erfolg. Denn Hohner hat sich 2014 selbst an die taiwanesische Firma KHS Musical Instruments verkauft. Diesen mit einem schlechten Image verbundenen Deal hat man versucht, durch die KHS-Tochtergesellschaft HS Investment zu kaschieren.
Ist-Stand 2017: Laut der Homepage von Alpha-Pianos verfügt man über eine umfangreiche Führungsriege. Doch wirft man einen Blick ins österreichische Firmenregister so findet man dort die Information, dass Alpha-Pianos nur 3 Mitarbeiter hat. Vergangenes Jahr wurden 10 Instrumente exportiert. Vor diesem Hintergrund muss man davon ausgehen, dass das edle Porsche-Design des MPianos längst veraltet ist, wenn es erst einmal in unseren Wohnzimmern angekommen ist.
Aus Sicht des Marketings folgt man bei Alpha-Pianos möglicherweise dem Weg von Feurich (Wien): Das Design und Marketing stammt aus Österreich. Die Produktion wird jedoch ausgelagert nach China. Vorstellbar ist auch, dass man das gesamte Konzept an einen Klavierhersteller veräußert, der dann aller Wahrscheinlichkeit auch in Asien zu Hause ist. Dass man von Alpha-Pianos offensichtlich gar nicht versucht, eine Produktion aufzubauen, werte ich als ein Indiz dafür, dass man in diese Richtung plant.
Das MPiano geht in die Produktion - falls es über eine Kickstarter-Kampagne ausreichend Aufträge sammeln kann. Dann würde die Produktion im Februar 2018 starten. Die Auslieferung wäre demnach ab Juni 2018. Und wie sieht es mit dem Preis aus? Wer die Kampagne unterstützt wird mit einem Rabatt belohnt. 8.000 Euro für eine Mini-Serie sollen 35% günstiger als der spätere Endpreis sein. Das liest sich verlockend. Aber: Sie finden bei Kickstarter eine Kampagne, die mich nicht begeistert. Sie enthält kein einziges offizielles Video, das mir das Potenzial des Superpianos derart vermittelt, dass ich es unbedingt haben will. Das beste Klangbeispiel ist eine Sound-Datei. Warum wurde diese Sound-Datei nicht als Video eingespielt? Muss das MPiano etwas verstecken? Mir drängt sich die Frage auf: Ist Pianomarketing wirklich so schwierig? Ist das MPiano dabei, ein Flop zu werden? Das Gegenteil, nämlich einen durchschlagenden Erfolg, würde ich dem MPiano und Mario Aiwasian wünschen!
Wenn ich mir das Projekt bei Kickstarter mal genauer ansehe, dann stelle ich fest, dass dort eine erhebliche Finanzierungslücke besteht. Das ist verwunderlich. Denn alle Vorgaben wählt der Projektleiter doch selbst aus. Aber wenn man das Finanzierungsziel den zu vergebenden Belohnungen gegenüberstellt, fehlen ganze 178.000.- Euro. Jetzt fängt es an, peinlich zu werden. Das kann man ja niemanden erzählen. Denn man müsste ja mit der Frage rechnen, warum das so ist, und man würde vor dem Dilemma stehen, dass man diese Frage nicht beantworten kann. Nun, die Community scheint die Lage intuitiv zu erfassen, denn die Nachfrage stagniert auf niedrigstem Niveau.
Das Magazin Tastenwelt veröffentlichte am 08.09.2017 den Testbericht eines Vorserienmodells des MPianos. Darin erfährt man, was man nun alles im Vergleich zur ersten Promotion nicht mehr bekommt. Unter anderem hat man aus Kostengründen auf den Aktor unter den Tasten verzichtet, der es ermöglichte, die Spielart (Tastentiefgang, Widerstand, Spielgefühl) an den jeweils über die Software ausgewählten Sound anpassen zu können. Nun suche ich nach einer Steigerung zu dem Wort peinlich und finde keine. Aus Sicht des Marketings ist es eine Katastrophe, wenn man einen bereits eingeführten Namen, eine bereits publizierte Idee ändern muss. Man entzieht der Marke ihren Kern. Somit bleibt aber vom Marke-ting nur nur noch das -ting übrig, und das will begreiflicherweise keiner mehr haben. Worauf beziehe ich mich konkret?
Am 28.06.2016 veröffentlichte die gleiche Zeitschrift Tastenwelt ein Interview zwischen dem Erfinder des MPianos, Mario Aiwasian, und dem Redakteur Karl Stechl. Das Thema lautet: Zum MPiano und zur Zukunft von Tastaturen. Das ist ein Artikel, bei dem einem beim Lesen das Herz aufgeht. Wir lernen mit Mario Aiwasian einen genialen und gleichzeitig sympathischen Mann kennen. Er beschreibt, wie das Konzept der variablen Spielart und die Lösung mittels eines Aktors unter den Tasten des Mechatronikpianos entstanden ist. Wir erfahren, welche Probleme es zu lösen gab, und welche Rolle neue Materialien bei den Problemlösungen spielen. Man ist beim Lesen nicht nur fasziniert, sondern der Artikel löst in einem unmittelbar den Wunsch aus, dieses Produkt haben zu wollen. Man ist von einem technikaffinen Virus positiv infiziert. Ganz nebenbei wird einem klar, dass der Aktor innerhalb der mechatronischen Lösung zur Anpassung der Komponenten der Spielart das Gegenstück zur Sensorik ist. Die Sensoren messen etwas und geben die Information genau genommen über eine Zwischenstelle, nämlich die Steuerung, an den Aktor weiter. Der setzt die Befehle in Form von neuen Widerständen, neuen Begrenzungen etc. um. Ohne den Aktor ist es eine rein sensorische Lösung, die ihre Informationen zum Beispiel an einen externen Computer mit einer Musiksoftware als Klangerzeuger weitergibt. Erst mit dem Aktor wird aus dem Piano mit Sensortasten das beworbene Mechatronikpiano, das man abgekürzt hat auf das MPiano.
Sie wurden mit den Argumenten der umfassenden mechatronischen Lösung beworben. Neu darin war die Möglichkeit, die Spielart an den Sound anpassen zu können. Was ist diese Eigenschaft eigentlich wert?
In der Regel hat jedes Tasteninstrument seine Spielart. Die kann sich deutlich unterscheiden. Im Wesentlichen geht es darum, ob die Instrumente am Ende der Taste eine Mechanik haben oder nicht. Man kann zwar mittlerweile auf einem so genannten Masterkeyboard (ohne eigene Klangquelle) verschiedene Sounds als Software von einem externen Klangerzeuger laden und spielen. Aber man konnte bislang noch nicht die Spielart ohne großen Aufwand flexibel anpassen. Die Kernfrage ist, was diese neue Eigenschaft bringt. Wenn ich keine Wahl habe, dann muss ich einfach mit dem jeweiligen Ist-Stand leben, beziehungsweise werde beim Kauf eines Tasteninstruments dessen Spielart ausgiebig prüfen, ob sie mir liegt. Wenn man nun an einem Masterkeyboard wie dem Mechatronikpiano die Spielart anpassen könnte, würde das zum Beispiel bedeuten, dass man jeweils die Spielart einstellt, die man bereits kennt. Das ist ein psychologischer Aspekt, der den Einstieg beziehungsweise den Wechsel erleichtert, wenn ich zum Beispiel vorher ein akustisches Tasteninstrument und somit ein Instrument mit Mechanik gewöhnt war. Dies wäre eine Maßnahme, die es mir erspart, mich anpassen zu müssen, meine Gewohnheit zu ändern.
Aber wertvoller erscheint mir der lerntechnische Aspekt zu sein, wenn ich nämlich mit der Spielart spielen könnte. Das heißt, ich könnte spieltechnische Veränderungen als eine Variable nutzen, um alternative Erfahrungen sammeln zu können. Wenn Sie zum Beispiel zu Hause verschiedene Tasteninstrumente haben, dann können Sie den Wechsel von einem Tasteninstrument zum anderen, und das heißt dann auch von einer Spielart zur anderen als eine Bereicherung des Spektrums Ihrer Spieltechnik und somit als einen positiven Anpassungsreiz interpretieren. Derartige Anpassungsreize würden nicht darauf abzielen, unsere Spielweise flexibler zu machen, sondern sie würden uns sensibilisieren für die Unterschiede in der Spielweise. Wie im letzten Abschnitt bereits erwähnt, kann man grundsätzlich unterscheiden zwischen Instrumenten mit und ohne eine physikalische Mechanik am Ende der Taste. Die Variation der technischen Variablen der Spielart und deren Auswirkung auf die Spielweise betrifft zwar im Fall des Mechatronikpianos genau genommen ein Instrument ohne Mechanik. Doch wenn Sie erlauben, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um diese thematische Besonderheit umfassender darzustellen. Folglich sind die Variablen bei einem Instrument mit einer Mechanik am Tastenende natürlich vielfältiger und in der Anzahl höher als bei einem Tasteninstrument ohne Mechanik. Es wird sinnvoll, die Spielart als eine wesentliche Variable des Lernens zu interpretieren, wenn man berücksichtigt, dass die bislang angeführten Komponenten genau genommen den technischen Rahmen der Spielart beschreiben:
Diese Faktoren ermöglichen beim akustischen Piano mit einer Hammermechanik ein Dynamikspektrum, das die Verfügbarkeit einer variablen Lautstärke umfasst. Doch im emotionalen Kontext der jeweiligen Musik ist genau genommen eine bestimmte Spielweise als optimale Ausdrucksform der in der Notenschrift enthalten Emotionen gefragt. Die erwünschte Spielweise geht häufig über die bislang verfügbaren technischen Möglichkeiten eines bestimmten Tasteninstruments mit einer nicht veränderbaren Spielart hinaus. Unter anderem aus diesem Grund ist es heute in der modernen da zeitgemäßen Musik zum Standard geworden, dass ein Tasteninstrumentespieler nicht mehr mit einem sondern gleich mit mehreren Keys auf die Bühne geht. Diese Keys sind digitale Masterkeyboards oder Synthesizer mit hinsichtlich der Tastenzahl unterschiedlich umfangreichen Klaviaturen. Für mich ist interessant: Als geübte Problemlöser haben die kreativen Musiker nicht darauf gewartet, dass ihnen die Hersteller von Musikinstrumenten die passenden Lösungen präsentieren.
Die Wortkombination Multi-Tasteninstrumente-Spieler beschreibt einen in seinen Fähig- und Fertigkeiten außergewöhnlichen Musiker. Abhängig von der weiteren Entwicklung der Leistungsmerkmale speziell der Tasteninstrumente wird dieser flexible Typ in Zukunft vielleicht zum Standard. Dem widerspricht die Erkenntnis, dass es sehr zeitaufwendig ist, um sich dieses umfassende Leistungsspektrum aneignen zu können. Cory Henry ist ein gutes Beispiel für einen solchen Multi-Tasteninstrumente-Spieler, der in der Lage ist, aus jedem Tasteninstrument das herauszuholen, was es an besonderen musikalischen Gestaltungs- und Ausdrucks-Möglichkeiten enthält. Man muss kurz innehalten und sich bewusst machen, dass sich dieser Typ eines Tasteninstrumentespielers erst aufgrund des Mangels an einer flexibel veränderbaren Spielart entwickeln konnte. Ferner kann man davon ausgehen, dass kein Musiker aus einer Laune heraus bereit ist, den erhöhten Aufwand zu betreiben, um sich diese übergreifenden Fähigkeiten erst zu erarbeiten, und anschließend die beeindruckenden Möglichkeiten der Gestaltung des musikalischen Ausdrucks auch noch zu einer bühnenreifen Performance zu entwickeln. Meiner Ansicht nach wurde Cory Henry möglicherweise bereits auf der Grundlage eines entsprechenden Bewusstseins für den Aspekt der optimalen Spielweise oder aus einem intuitiven Bedürfnis dazu angetrieben, seine Talente in diese Richtung zu trainieren, um auf dieser Basis den musikalischen Dialog mit seinem Publikum emotional noch intensiver gestalten zu können.
Auf den Zusammenhang zwischen Spielart und Spielweise kam ich erst im Rahmen meines überregionalen Klavierservice, in dem ich Klaviere und Flügel von fabrikneu bis über 160 Jahre und somit in allen möglichen und unmöglichen Zuständen in die Hände bekomme. Auf all diesen Pianos spiele ich das gleiche Repertoire zur Probe und zeichne es auf. So entwickelt sich ein Erfahrungsschatz gepaart mit einer Schatztruhe aus Audiodateien. Auf diesem Weg gelang ich erst vor kurzem zu der Einsicht, dass die Spielart die Spielweise nicht nur beeinflusst, sondern sogar bestimmt im Sinne von festlegt. Klar ist, dass bei physikalischen Mechaniken eine Veränderung der technischen Rahmenbedingungen der Spielart zum Ermöglichen unterschiedlicher Spielweisen einen zu hohen zeitlichen Aufwand erfordert, als dass man damit in der Praxis flexibel experimentieren könnte. Daher wäre eine solche Eigenschaft der Variation der Spielart auf mechatronischer Basis über eine App tatsächlich eine Bereicherung gewesen, um damit wie erwähnt spielerisch Erfahrung sammeln zu können, und das heißt, um für sich selbst die Frage zu verifizieren, wie stark der Einfluss der Spielart auf die Spielweise ist. Abschließend bleibt anzumerken, dass wir hier nur einen relativ kleinen Teil bereits als wertvoll einschätzen. Der ursprünglich geplante Aktor ermöglicht ja letztendlich nur die Variation des Widerstands sowie der räumlichen Begrenzung des Tastenwegs an einem Tasteninstrument ohne Mechanik. Zum Beispiel im Falle eines Hybridklaviers würden sich weitere Variablen wie bereits oben geschildert innerhalb der Mechanik ergeben. Es existieren bereits Entwürfe von Mechaniken, die anstelle von Federn Magnete verwenden. Jedoch gibt es dazu noch keine mechatronische Fernsteuerung, mit der man die für die Spielart relevanten Größen zu Gunsten einer bestimmten Spielweise flexibel verändern könnte. Ferner würde im Fall eines Hybridpianos mit MIDI- und MPE-tauglichen Klaviatur weitere die Spielweise beeinflussende Faktoren wie Aftertouch und vor allem die über Fingerbewegungen auf den Tastenoberflächen ausgelösten Effekte hinzukommen. Das sind alles noch offene Arbeitsfelder für die Hersteller von Tasteninstrumenten, Mechanikproduzenten sowie Musikpädagogen in der hoffentlich nahen Zukunft.
In unzähligen Gesprächen mit meinen Kunden erlebe ich als Reaktion auf meine Berichte von den Neuerungen rund um das Piano beinahe regelmäßig das folgende Muster: Aus Sorge vor einem mit den Neuerungen verbundenen Zwang zur Anpassung wird jede Veränderung abgelehnt. Erweitert man für einen Moment den Horizont unserer Diskussion um die Möglichkeiten am Piano auf die aktuellen Entwicklungen in der Welt, dann muss man eine weitgehende Überforderung feststellen. Sowohl die Geschwindigkeit als auch die Tiefe der Veränderungen hat eine Dynamik entwickelt, vor der sich die Menschen massenweise zurückziehen. Die Entwicklungsverweigerung ist zu einem Trend geworden. Aus Sicht der Wahrnehmung geht es um einen nachvollziehbaren Schutz. Das Flaschenhalsmodell der Informationsverarbeitung besagt, dass wir bewusst nur wenige Aspekte verarbeiten können. Werden es zu viele Daten, dann fassen wir diese in Mustern und Kategorien zusammen. Das heißt, wir reduzieren die Informationsvielfalt in einem unterbewussten Prozess. Die Reaktion einer Abwehrhaltung gegenüber zu vielen neuen Informationen ist also ganz natürlich und im Sinne eines Selbstschutzes auch notwendig. Und da es um eine informative Überforderung geht, wird die Abwehr-Reaktion von Angst begleitet, die unsere Wahrnehmung und vor allem Begeisterung zusätzlich einschränkt. Will man also in einer solch kritischen Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs eine Neuerung auf dem Markt erfolgreich positionieren, muss man vor allem versuchen, den mit dem neuen Produkt verbundenen Lustfaktor anzusprechen.
Gehen wir vom generellen Muster der Reaktion zu den Argumenten im Detail: Im Zusammenhang mit der Vielzahl an neuen Informationen (siehe oben) und der damit verbundenen Komplexität stellt sich zu Recht die Frage, ob die Vielfalt noch im Rahmen bleibt. Die Vermutung ist naheliegend, dass unsere Handlungsfähigkeit aufgrund einer zu großen Anzahl an Variablen eingeschränkt wird. Diese berechtigte Überlegung erfordert entsprechende technische Lösungen. Die Anwendung muss in der Praxis einfach sein. Letztendlich bekommt das Ziel der Optimierung seine Legitimation aus der Vorstellung, welche Musik wir machen könnten, wenn uns das zu erahnende Spektrum an Möglichkeiten zur Verfügung stehen würde. Es wäre ein Traum, wenn man die technischen Faktoren schnell und einfach verändern könnte, so dass sich die jeweils aktualisierten Bedingungen der Spielart positiv auf die Spielweise und somit letztlich auf das bislang nur grob formulierte Wunschziel des ausdrucksstarken, da gefühlvollen Musizierens auswirken. Das war zumindest scheinbar die Situation bei unserem hier diskutierten Mechatronikpiano mittels Aktoren unter den Tasten. Wäre das kein Traum mehr, sondern schon Realität, dann wäre das ein geniales Stilmittel, das wir unbedingt haben wollten. Oder nicht?
Der erste Versuch, das Mechatronik-Piano in die Produktion zu bringen ist gescheitert. Alpha-Pianos GmbH ließ das Projekt über die Fremdfinanzierung mittels Crowdfunding bei Kickstarter durchführen und fand zu wenig Zuspruch. Wie wird es weitergehen? Vielleicht muss man die hervorragende Idee erst einmal aus- und dann neu verpacken. Damit meine ich:
Das Designobjekt ist ja ganz nett. Aber weitaus interessanter wäre es, wenn man die Klaviatur und somit die Funktion vom Design entschlackt. Das würde den Preis radikal senken und mit Sicherheit wesentlich schneller mehr Freunde finden, die nämlich an funktionellen Fortschritten zum Beispiel gegenüber dem Seaboard interessiert sind. Natürlich wäre der Verzicht auf das herausragende Design schmerzlich für die Macher. Wenn man aber diesen Schritt mit der Maßnahme vergleicht, die Alpha-Pianos mitten im Projekt ohne Kommentar vollzogen hat, dann wird deutlich, was falsch läuft: Aus Kostengründen hat man auf die Möglichkeit verzichtet, die Spielart flexibel an den Klang anpassen zu können. Das heißt, man hat an der Funktion gespart!
Beinahe täglich sehe ich die Bewunderung und das Staunen meiner Kunden, wenn sie im Rahmen der Klavierstimmung Einblicke auf das Spielwerk ihres Pianos bekommen. Eine geniale Geschichte. Wie ist das entstanden? Nach der Erfindung durch Bartolomeo Cristofori 1709 wurde der Fortschritt zum heutigen Stand durch Teamwork ermöglicht.
Wie schon mehrfach angedeutet, ist das Mechatronik-Piano eine höchst interessante Entwicklung auf dem Markt der Tasteninstrumente. Wie ist das entstanden? Durch Teamwork. Wie ich gerade erfahren habe, konnte Mario Aiwasian den Klavierbaumeister und Experten für Klaviermechaniken Ludwig Vasicek für die Entwicklung des Herzstücks, nämlich der Klaviatur gewinnen. Ludwig Vasicek ist mir einmal im Rahmen einer Fortbildung des Bundes Deutscher Klavierbauer bei seinem damaligen Arbeitgeber Seiler in Kitzingen persönlich begegnet. Wir hatten spontan einen sehr guten Draht und so durfte ich Herrn Vasicek als einen erstaunlich offenen und daher auch entsprechend kompetenten Gesprächspartner schätzen lernen. Aktuell arbeitet Ludwig Vasicek für den weltweit größten Lieferant für Orgelteile Laukhuff. In Kooperation mit Laukhuff werden zum Beispiel in der Breite angepasste Klaviaturen hergestellt beziehungsweise geändert, damit auch Menschen mit kleineren Händen ganz normal Klavier spielen können. Zu diesem Thema finden Sie weitere Informationen auf der Homepage von PIANISTS FOR ALTERNATIVELY SIZED KEYBOARDS.
Wir kehren wieder zum Ausgangspunkt des Marketings zurück: Wie bereits festgestellt, wurde die variable Verfügbarkeit der Spielart und somit auch der Spielweise nun aus Kostengründen gestrichen, ohne diesen wertmindernden Aspekt jedoch seitens des Herstellers Alpha Pianos GmbH ausdrücklich zu vermitteln. Potenzielle Interessenten erfahren das wenn überhaupt dann eher zufällig, nämlich über eine Homepage, die nichts mit der Webpage des Herstellers zu tun hat, über die Sie sich anfangs informiert haben. Und Sie erfahren die Veränderung auch nur, falls Sie sich entsprechend intensiv mit der aktuellen Situation beschäftigen. Dass man sich so eine Informationspolitik leistet, hat natürlich einen Grund: Würde Alpha Pianos die Rücknahme dieser Leistungseigenschaft entsprechend deutlich publizieren, müsste man sich und seinen Kunden im gleichen Schritt eingestehen, dass das Produkt mit dem Verlust dieser Eigenschaft auch seinen Namen verloren hat. Denn ohne Aktor ist es eben kein Mechatronik-Piano mehr, sondern ein Sensor-Piano, genau genommen ein Sensor-Tasten-Piano. Aus dem MPiano müsste dementsprechend ein SPiano werden! Das nun angebotene Produkt entspricht nicht mehr dem Stand der ursprünglichen Bewerbung. Klarer Fall: Die Sparversion wollen Sie nicht haben - unter anderem da Sie eine letztendlich höhere Qualität zu einem weitaus günstigeren Preis bekommen können! Lesen Sie einfach weiter, damit sich Ihre Stimmung wieder aufhellen kann:
Einwandfreie industrielle Angebote, die sowohl dem technischen Stand als auch den zeitgemäß umfassenden Möglichkeiten entsprechen, scheinen auf längere Sicht für den breiten Markt nicht verfügbar zu sein. Welche Alternativen haben wir? Bis hierher sind wir schon ziemlich weit gemeinsam gegangen. Gehen wir noch einen Schritt weiter. Lassen Sie sich ermutigen, sich Ihr eigenes Hybridklavier zu bauen, indem Sie Ihr gutes altes Akustikpiano in seinen Möglichkeiten entscheidend erweitern. Die gute Nachricht lautet: Das (scheinbar) Unmögliche ist machbar!