Die Wunschliste der Pianisten

Bei genauem Hinsehen entdeckt man, dass selbst Pianistin nicht rundum glücklich mit dem Piano sind. Auch sie bemängeln Einschränkungen, da sie ja die Vorstellungen der Komponisten in die Realität übersetzen sollen. Hier fühlen sie sich vor den hohen Anforderungen klassischer Werke oftmals von den Klavierherstellern alleine gelassen. Auch das ist ein Grund, warum man so selten etwas von den genau genommen vielfältigen Einschränkungen hört, da es einfach an problemlösungswilligen Ansprechpartnern fehlte. Sehen wir uns gemeinsam die Wunschliste an, und was damit noch an interessantem Material für das Klavierspiel verbunden ist:

  • Vibrato
  • Crescendo (Ansteigen der Lautstärke eines bereits angeschlagenen Tons, ohne diesen erneut anzuschlagen)
  • Verändern der Klangfarben eines bereits angeschlagenen Tons
  • Intonation - also die Veränderung der Tonhöhe im Spiel (= ein Element des Vibrato)

Diese Wunschliste findet in der Einleitung der im Juli 2013 erschienen Dissertation der Konzertpianistin und promovierten Sportwissenschaftlerin Frau Dr. Henriette Gärtner nicht nur ihre Bestätigung, sondern wird − wenn auch unbeabsichtigt − mit einer Vielzahl von Zitaten prominenter Autoren belegt. Entsprechend dem Titel der Doktorarbeit Kraft, Klang und Kinematik beim Klavierspiel. Über ihren Zusammenhang, aufgezeigt an Werken der Klavierliteratur leitet Frau Dr. Henriette Gärtner in ihrer Berufung als Pianistin daraus ein für die Klavierpädagogik und in dem Zusammenhang für autodidaktische Herangehensweisen an das Klavierspiel interessantes visuelles Feedbacksystem hinsichtlich der beim Klavierspiel relevanten Kräfte ab. Gestatten Sie mir an dieser Stelle einige Gedanken zum Klavier spielen lernen:

Feedbacksysteme sind für das Lernen und Arbeiten eine geradezu geniale Erfindung, vor allem wenn sie uns Menschen Daten für mehr als nur einen Sinneskanal liefern. Schließlich verarbeiten wir im Alltag ständig multisensoriell Daten zum Beispiel über das Gleichgewichtssystem, den Tastsinn, Augen, Ohren und die Nase. Eine visuelle Rückmeldung über die Beschleunigung des Klavierhammers wird unterbewusst dazu führen, den Kontakt zwischen Finger und Taste zu optimieren. Das Üben bekommt über ein solches Feedback-System einen echten Mehr-Wert, da das Üben kein rein mechanistischer Prozess ist. Lernen wird effizienter, wenn aus dem oftmals geistlosen Wiederholen ein bewusstes Variieren wird. Darauf verweist zum Beispiel die Methodik des Differenziellen Lehren und Lernens.

Ein relativ einfach herzustellendes visuelles Feedback-System stellt das Transparent-Piano dar, das dem Klavierspieler direkt beim Klavier spielen den Einblick in die mechanischen Vorgänge am Ende der Taste ermöglicht und somit dazu beiträgt, ein räumlich den tatsächlichen Abläufen entsprechendes Bewegungsmuster auszubilden.

Ein visuelles Feedback-System hinsichtlich der Beschleunigung des Klavierhammers müsste schon heute im Rahmen eines innovativen Hybrid-Pianos realisierbar sein. Dieser Gedanke scheint mir naheliegend, da zum Beispiel das bereits existierende aufzeichnungsfähige Selbstspielsystem CEUS von Bösendorfer die Dynamikabstufungen beim Klavieranschlag in 17.000 bis 25.000 Stufen erfasst und auf 250 Stufen interpoliert. Diese Daten bräuchten nur noch in eine visuelle Anzeige übertragen werden und schon bekäme der Klavierspieler ein visuelles Feedback und somit die oben beschriebene multisensorische Mehr-Wert-Leistung dank der in das akustische Instrument integrierten Elektronik.

Am Ende dieser interessanten Entwicklung könnte ein völlig neues Lehr- und Lernmodell stehen. Damit beziehe ich mich auf Gedanken des amerikanischen Pädagogen Salman Khan, der in seinem wunderbaren Buch über Die Khan Academy - Die Revolution für die Schule von morgen ein computergestütztes Lernen vorschlägt, das den Lehrer nicht ausschließt, sondern vielmehr mit neuen Schwerpunkten der pädagogischen Arbeit genau genommen mehr-wertig integriert. Dieses Modell des modernen Klavierlehrers beschreibt sehr gut die Bezeichnung des Piano-Coaches.